Kolumne aus Bern: „Verniedlicht und verdrängt!“
Die neuen Gesichter an der 2. Session in Bern sind mir nicht mehr fremd. Von meinem Platz aus, vorne bei den Stimmenzählern, kann ich das Treiben im Nationalrat sehr gut beobachten. Viele sind in ihre Arbeit vertieft oder in ein Gespräch verwickelt. Ich sehe aber auch, dass sich die Zusammensetzung des Parlaments seit den letzten Wahlen stark verändert hat: Mitte-Links Anliegen erhielten Verstärkung, bürgerliche Anliegen haben es schwerer.
Kürzer Rückblick auf die Sessionswoche:
- Die Hotellerie wurde nicht von der Mehrwertsteuer befreit
- Die Vorlage gegen Zwangsheiraten wurde angepasst
- Pokerturniere mit kleinen Einsätzen erhalten grünes Licht
- Das Steueramtshilfegesetz wurde gutgeheissen
- Bei der Teilrevision des Raumplanungsgesetzes fand eine Kehrtwende statt.
Für mich als Mitglied der Aussenpolitischen Kommission war der Mittwoch besonders interessant. Auf dem Programm stand der Bericht der Aussenwirtschaftspolitik 2011.
Es ist unmöglich, in Kürze auf alle Vorlagen einzugehen. Deshalb, auch in Anbetracht der Aktualität, wähle ich hier das Thema Aussenwirtschaftspolitik. Wie auch in dieser Zeitung Anfang Woche berichtet wurde, haben wir in der Schweiz ein markantes Problem mit der Zuwanderung. Tausende strömen monatlich in unser Land um eine Asyl-, Arbeits- oder Niederlassungsmöglichkeit zu erhalten. Obwohl das Thema Migration nur am Rande des Berichtes erwähnt wurde und das nur in positiven Tönen, bleibt es ein Schlüsselthema des grössten Teils der Schweizer Bevölkerung.
Es gibt viele Entscheide, welche ihre Wirkung erst später entfalten. So auch das seinerzeit vom Bundesrat viel gelobte Abkommen über den freien Personenverkehr. Im Abstimmungskampf hörten wir von der „Ventilklausel“, als ein wirksames Mittel gegen allzu grosse Einwanderungs-Ströme. Jetzt heisst es, sie nütze praktisch nichts. Was soll man da dem Bundesrat noch glauben? Leider wurde auch meine Motion, ein Punktesystem für Ausländer, abgelehnt. Dabei hätten wir mit diesem einfachen und bewährtem System, das andere Länder mit Erfolg anwenden die Möglichkeit, gezielt Arbeitskräfte in unser Land zu holen, welche wir hier auch tatsächlich benötigen!
Die Situation ist so, wie ich immer befürchtete: Solange die Wirtschaft bei uns „läuft“, ist alles noch in geordneten Bahnen. Wenn dies aber nicht mehr der Fall ist – und der Zeitpunkt kommt schneller als uns lieb ist – haben wir hier in der Schweiz ein Riesenproblem. Die Menschen bleiben da, die Sozialsysteme kommen schnell an ihre Grenzen. Die Situation betrifft jeden von uns, doch niemand hat eine praktikable Lösung bereit. Die Problematik wird verniedlicht, verdrängt oder ganz einfach totgeschwiegen.
Kolumne in der „Neuen Luzerner Zeitung“ vom Samstag, den 03. März 2012 unter der Rubrik: DIREKT AUS BERN