Abstimmen per Brief soll überall gratis sein!
Am letzten Donnerstag reichte ich in Bern eine Interpellation ein: Abstimmungscouverts sollen schweizweit nicht mehr frankiert werden... Frau J. PFISTER berichtete darüber in der Zeitung "20 Minuten" in einem Beitrag.
Je nach Wohnort müssen Schweizer heute ihr Abstimmungscouvert frankieren oder nicht. Das will SVP-Nationalrätin Yvette Estermann ändern - damit sich die Stimmbeteiligung erhöht. Während Stadtzürcher -und Basler ihre Abstimmungscouverts ohne Briefmarke in den nächsten Briefkasten werfen können, müssen die Berner oder Luzerner Stadtbewohner ihre Couverts frankieren. Ein Ärgernis, findet SVP-Nationalrätin Yvette Estermann (LU). «Mir sagen Leute oft, dass sie alle Unterlagen ausgefüllt haben, aber weil sie gerade keine Briefmarke zur Hand hatten, blieben die Couverts zuhause liegen.»
Estermann fordert deshalb den Bundesrat auf, bei eidgenössischen Vorlagen die Möglichkeit einer kostenlosen Antwortsendung für die gesamte Schweiz einzuführen. Sie ist überzeugt: «Ist die briefliche Stimmabgabe gratis, wirkt sich dies positiv auf die Stimmbeteiligung aus.» Gerade auch weil heute immer mehr Personen brieflich abstimmen würden. Tatsächlich stimmen heute in einzelnen Kantonen, wie beispielsweise Basel-Stadt bis zu 90 Prozent der Personen brieflich ab - die Tendenz ist schweizweit steigend.
«Nur marginale Erhöhung»
Estermanns Hoffnung einer höheren Stimmbeteiligung bestätigt sich in der Praxis nur bedingt. Die Thurgauer Gemeinde Kreuzlingen hat vor rund fünf Jahren entschieden, die Portokosten bei der brieflichen Abstimmung zu übernehmen. «Wir haben das als Service an die Stimmbürger gesehen» sagt die stellvertretende Stadtschreiberin Janine Benz. Doch obwohl sicher viele Bürger diesen Service schätzen - sie werfen kaum mehr Abstimmungscouverts ein als zuvor. «Die Stimmbeteiligung hat sich nur marginal erhöht», sagt Benz.
Auch Politologe Thomas Milic glaubt nicht, dass durch die portofreie Rücksendung die Leute plötzlich in Schaaren abstimmen. «Die Stimmbeteiligung ist in erster Linie abhängig vom Thema der Vorlage und der Intensität, mit welcher eine Kampagne geführt wird.» Wer sich politisch nicht interessiere, dem seien auch die 85 Rappen Erlass für eine Briefmarke egal.
Für viele Gemeinden zu teuer
Die Kosten hätten zwar einen Einfluss - aber vor allem dann, wenn es um Restriktionen gehe. Als Beispiel erwähnt Milic den Kanton Schaffhausen, wo eine Stimmpflicht gilt. Wer nicht abstimmt, wird gebüsst. Immerhin würden sich dadurch bis 15 Prozent mehr Stimmbürger an Abstimmungen beteiligen als im Schweizer Durchschnitt. Bei einer portofreien brieflichen Abstimmung geht Milic von 1 bis 2 Prozent mehr Personen aus, die das Couvert abschicken.
Bei der Bundeskanzlei in Bern betont man, dass die politischen Rechte und somit auch die Art der Stimmabgabe in der Hoheit der Gemeinden liege. Doch obwohl in den letzten Jahren in zahlreichen Gemeinden Vorstösse für eine portofreie briefliche Abstimmung eingereicht wurden, winkten die Behörden meistens ab - aus Kostengründen. So schrieb der Thuner Gemeinderat vor einem Jahr auf einen entsprechenden Vorstoss: «Bei einer Übernahme des Portos müsste mit durchschnittlichen Zusatzkosten von 50'000 Franken gerechnet werden.» Das sei sehr hoch. Grundsätzlich sollte es den Stimmberechtigten zumutbar sein, pro Urnengang 85 Rappen zu investieren.
Estermann ist sich bewusst, dass der Bund die Gemeinden nicht zwingen kann, die Abstimmungspraxis zu ändern. Sie schlägt deshalb vor: «Der Bund könnte die Gemeinden diesbezüglich finanziell unterstützen.»